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Oh Honey!

Eine Idee beim Tee

Nachhaltig und gewinnorientiert - ein Widerspruch?

Junge Unternehmen müssen sich Kritik und Herausforderungen stellen. Koppeln sie ihre Geschäftsidee an soziales Engagement, stoßen sie oft auf das Vorurteil, Gewinnorientierung und gesellschaftlicher Einsatz schlössen sich aus. Studierende des Vereins Enactus beweisen täglich das Gegenteil.

Schnaps- oder Tee-Idee?

Oft beginnt es mit einer Schnapsidee. Oder im Fall von Vernon Flassak und Philipp Leistenschneider mit einer Teeidee. An einem Nachmittag auf Vernons Balkon hatte Philipp einen selbstgemachten, mit Honig gesüßten Eistee mitgebracht. »Ich hatte zuvor eine Doku über das Bienensterben gesehen«, sagt Flassak. »Häufig hat man jedoch das Gefühl, als einzelne Person nicht viel bewirken zu können.« Auf einmal kam die Idee: Warum nicht mit Philipps honiggesüßtem Eistee gegen das Bienensterben ankämpfen?

Was am Anfang selbst für die zwei Studenten abstrus klang, wurde bald zum Konzept von »Oh, Honey!«. Das Social Start-up stellt ökologischen und nachhaltigen Eistee hergesüßt mit Honig. »Wir beziehen unseren Honig aus einem nachhaltigen Imkernetzwerk und spenden zehn Cent pro verkaufter Flasche an Bienenschutzinitiativen. So versuchen wir, das Problem Bienensterben auf zwei Weisen zu bekämpfen. Wir unterstützen die deutsche Imkerei, aber auch die Wildbienen- und Insektenkultur«, erzählt Flassak.

DAS START-UP WIRD TEIL EINES NETZWERKS

Zwei Jahre sind seit diesem Nachmittag vergangen. Jetzt hat das Start-up, das mittlerweile neun Teammitglieder zählt, den ersten großen Meilenstein erreicht: Die ersten 6.000 Flaschen Eistee, die professionell abgefüllt und etikeztiert wurden. Bis dorthin war es ein langer Weg, bei dem auch Zweifel aufkamen. »Wir studieren ja alle noch. Anfangs hatten wir nicht den blassesten Schimmer, wie wir unsere Idee umsetzen können. Als uns ein Lohnabfüller, der unseren Eistee in die Flaschen bringen sollte, attestierte, dass unsere Idee niemals umsetzbar wäre, waren wir sehr verunsichert«, erinnert sich der BWL-Student. Doch glücklicherweise waren die beiden nicht alleine auf ihrem Weg: Mittlerweile ist »Oh, Honey!« ein Projekt des Studierendenvereins Enactus (Entrepreneurial Action Us). Bei der globalen studentischen Initiative mit Ortsgruppe an der Universität zu Köln fanden sie Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Zuspruch und ein Netzwerk, das ihnen weiterhalf.

Enactus zählt deutschlandweit dreißig Gruppen, weltweit findet sich der Verein an 1.730 Universitäten und entwickelt dort Start-ups mit sozialer und ökologischer Ausrichtung. Dabei orientieren sich alle Enactus-Projekte an den 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die ökonomische, ökologische und soziale Probleme der Weltgesellschaft adressieren. Zurzeit betreut Enactus Köln acht Projekte: Jedes Team, das aus Studierenden unterschiedlicher Fakultäten besteht, erarbeitet eine Geschäftsidee bis zur Umsetzung, die ein ganz spezifisches gesellschaftliches Problem lösen soll: Von Agrarentwicklung in Togo bis zu einem Ausbildungsprogramm für sehbehinderte Menschen zu Masseuren – die Bandbreite scheint groß.

Jedes Unternehmen sollte einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren.
Vernon Flask & Philipp Leistenschneider
Gründer Oh Honey!

Sozialer Mehrwert durch Unternehmertum

Vernon Flassak hatte vor seiner Zeit bei Enactus selbst den Eindruck, dass soziales Engagement und Unternehmertum nicht vereinbar seien. Das hat sich geändert. Heute ist er überzeugt, dass jedes Unternehmen einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren sollte. Soziales Unternehmertum sei sogar wirksamer, um Gutes zu bewegen, da Menschen einen direkten Mehrwert erhielten. »Mit Spenden appelliere ich zwar an das soziale Gewissen der Menschen. Aber mehr Leute erreiche ich, wenn sie sogar ein gutes Produkt dafür bekommen, dass sie eine gute Sache fördern«, sagt Flassak.

Unternehmertum als Treiber von Veränderung

Wo man leichtfertig puren studentischen Idealismus unterstellen könnte, finden sich junge Menschen, die davon überzeugt sind, dass sie mit zielgerichteter Analyse und einem tragfähigen Geschäftsmodell Lösungen für die großen gesellschaftlichen Probleme finden.

Social Entrepreneurship, soziales Unternehmertum, nennt sich dieser Ansatz, bei dem eine soziale Mission im Vordergrund steht. Dieses Unternehmertum und seine Vertreter, die Social Entrepreneurs, haben es in den vergangenen Jahren oft in die Medien und ihre Produkte in den Alltag der Menschen geschafft. Bekannte Vertreter für das Unternehmertum mit Haltung sind die ökologische Suchmaschine »Ecosia«, der Getränkeproduzent „Lemonaid Beverages“ oder der Kondomhersteller „Einhorn“.

Social Entrepreneure wollen einen möglichst hohen Social Impact, also einen größtmöglichen positiven sozialen Wandel mit unternehmerischen Mitteln erreichen«, weiß Sarah Türk, Doktorandin bei Professor Christian Schwens am Stiftungslehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Managementlehre für Nicht-Wirtschaftswissenschaftler. Die Wissenschaftlerin forscht zum Thema »Social Entrepreneurship« in ihrer Dissertation.

»Neu ist dieses Konzept nicht«, sagt sie. Unternehmertum sei schon früher als ein wichtiger Treiber von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen angesehen worden. »Die Vorstellung, dass unternehmerisches Handeln hauptsächlich profitorientiert ist, setzte später ein. Mit Social Entrepreneurship wird das Ziel des sozialen Wandels wieder deutlich in den Vordergrund gerückt«, erklärt die Doktorandin.

Vernon Flassak hatte vor seiner Zeit bei Enactus selbst den Eindruck, dass soziales Engagement und Unternehmertum nicht vereinbar seien. Das hat sich geändert. Heute ist er überzeugt, dass jedes Unternehmen einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren sollte. Soziales Unternehmertum sei sogar wirksamer, um Gutes zu bewegen, da Menschen einen direkten Mehrwert erhielten. »Mit Spenden appelliere ich zwar an das soziale Gewissen der Menschen. Aber mehr Leute erreiche ich, wenn sie sogar ein gutes Produkt dafür bekommen, dass sie eine gute Sache fördern«, sagt Flassak.

Kölner Ideen holen Preise

Für Vesna Domuz, ehemalige Leiterin des Sachgebietes Gründungen im Gateway Exzellenz Start-up Center der Universität, ist die Stunde der Social Start-ups gekommen: »Hier wächst eine wundervolle Generation heran, die hochgradig sozial engagiert und teilweise politisch motiviert ist. Diese Start-ups brauchen wir, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen«, sagt Domuz. Seit mehr als sechs Jahren berät sie Start-ups aus dem Hochschulumfeld im Gateway und begleitet auch die Studierenden von Encatus auf ihrem Weg zum Start-up.

So auch Nils Lohmann und das Team von »Socialbnb«. Dieses Projekt, das ebenfalls aus Enactus entstanden ist, dreht sich um nachhaltiges Reisen: Die Onlineplattform vermittelt Reisenden weltweit Unterkünfte bei lokalen Nicht-Regierungsorganisationen. Durch diese zusätzlichen Einnahmen werden diese dann unabhängiger von Spendeneinnahmen.

Eine Idee mit Erfolg: Gemeinsam mit dem Agrarprojekt »Save The Grain« über- zeugte „Socialbnb« im deutschlandweiten »Enactus National Cup«. Die Projekte holten für die Kölner Studierenden den ersten Platz und vertreten »Enactus Germany« beim internationalen »World Cup«. Eine große Chance für die beiden Projekte, denn auf der internationalen Bühne können sie Investoren auf sich aufmerksam machen und Kontakte knüpfen – etwas, was für Social Start-ups in Deutschland nicht so leicht ist, wie Lohmann berichtet: »Es herrscht manchmal noch das Vorurteil vor, dass diese Unternehmen weniger erfolgreich sind, weil nicht jeder Aspekt auf maximalen Profit, sondern eher auf Win-Win-Situationen ausgelegt ist. Unsere Mission ist aber genau das: Wir wollen beweisen, dass man ein profitables Unternehmen sein und sozial einen Unterschied machen kann.«

Davon lassen sich die Enactus-Studierenden jedoch nicht abschrecken. »Nur, weil die Vorstellungskraft eines anderen es nicht zulässt, heißt das noch lange nicht, dass etwas nicht möglich ist«, sagt Lohmann, der gerade sein Studium beendet hat und mit dem Socialbnb-Team durchstarten möchte. Er und Flassak sind sich einig: Zuallererst komme es auf die Idee, auf den Glauben daran und auf ein gutes Team an, das einen begleitet. »Man muss auf keinen Fall alles alleine können, wissen oder bewältigen. Ein gutes Team braucht unterschiedliche Talente – für jeden gibt es Platz.